Eine Geschichte der Entwürdigung von der Antike bis heute
1. Eine Menschheitskonstante: Sklaverei in der Antike
Sklaverei ist so alt wie organisierte Gesellschaften. In den frühen Hochkulturen – Mesopotamien, Ägypten, Griechenland und Rom – war sie normaler Bestandteil der Wirtschafts- und Machtstrukturen. Menschen wurden versklavt durch Eroberungen, Schulden, Geburt oder als Strafe. In Rom machten Sklaven in manchen Regionen über ein Drittel der Bevölkerung aus. Sie bauten Straßen, Tempel, Paläste – und zugleich waren sie ersetzbar, ohne Rechte, ohne Schutz.
Die Antike zeigt die frühe, brutale Logik der Sklaverei: Der Mensch wird zum Werkzeug, zum Eigentum, zur Ressource.
2. Mittelalter und Frühneuzeit: Ein globales System entsteht
Auch im europäischen Mittelalter existierte Sklaverei und wurde oft durch die Kirche nur umbenannt oder in Leibeigenschaft überführt. Ab dem 15. Jahrhundert entstand jedoch etwas Neues: der transatlantische Sklavenhandel, einer der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte.
Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner wurden verschleppt, gefesselt, verkauft, missbraucht und auf Plantagen in der „Neuen Welt“ ausgebeutet. Hinter dem Wohlstand Europas und Amerikas stehen unzählige ausgelöschte Leben.
Die USA begannen erst ab 1865 (13. Zusatzartikel der Verfassung) die Sklaverei abzuschaffen – formal. Gesellschaftliche Gleichberechtigung folgte deutlich später.
3. Vergessenes Kapitel:
Europäische Sklaven in Afrika und der islamischen Welt
Weniger bekannt ist, dass über Jahrhunderte auch weiße Europäerinnen und Europäer Opfer von Sklaverei wurden. Zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert nahmen nordafrikanische Korsaren (oft aus den Barbareskenstaaten wie Algier, Tunis oder Tripolis) Schiffe und Küstenstädte aus Südeuropa ins Visier. Schätzungen gehen von bis zu einer Million entführten Menschen aus Italien, Spanien, Frankreich, Portugal oder sogar Island.
Viele wurden an den osmanischen oder arabischen Märkten verkauft, endeten als Galeerensklaven, Haushaltssklaven oder in den Haremssystemen.
Diese Geschichte zeigt: Sklaverei kann jeden treffen. Hautfarbe schützt nicht vor Entwürdigung.
4. Moderne Formen der Sklaverei: Zwangsarbeit, Ausbeutung, Menschenhandel
Trotz offizieller Verbote in nahezu allen Staaten der Welt existiert Sklaverei heute weiter – nur unter neuen Namen: Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Rekrutierung in bewaffnete Gruppen, Verschuldungsknechtschaft, Arbeitsausbeutung in globalen Lieferketten.
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt, dass weltweit über 50 Millionen Menschen in moderner Sklaverei leben. Das sind Menschen ohne Freiheit, deren Körper und Arbeitskraft kontrolliert werden – oft unsichtbar, mitten unter uns.
5. Zwangsprostitution: Die versteckte Sklaverei unserer Zeit
Eine der grausamsten Formen moderner Sklaverei ist der Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung. Gerade Frauen und Minderjährige werden mit falschen Versprechen gelockt, verschleppt oder erpresst und in Bordellen, in Online-Ausbeutung oder in privaten Räumen festgehalten.
Zwangsprostitution zerstört Identität und Selbstwert; sie tötet nicht sofort, aber sie zerstört langsam – psychisch, sozial und körperlich.
Diese Form der Sklaverei geschieht nicht in fernen Ländern, sondern oft im Herzen moderner Städte.
6. Warum Sklaverei nie „vergangen“ ist
Sklaverei verschwindet nicht durch Gesetze, weil sie sich aus Gier, Machtmissbrauch und Gleichgültigkeit speist. Solange Menschen als Mittel zum Zweck betrachtet werden – billige Arbeitskräfte, gefügige Körper, austauschbare Ressourcen – bleibt die Versuchung bestehen.
Die Herausforderung unserer Zeit besteht darin, Ausbeutung nicht nur zu benennen, sondern aktiv Strukturen zu verändern: Lieferketten, Konsumverhalten, Gesetzgebung, Aufklärung.